Wie zerstört man eine Familie: In Sachen Kaminski
Heute hatte ich ungewöhnliche Mail in meinem elektronischen Briefkasten. Ungewöhnlich deshalb, weil die Mail an Frau/Herr Mustermann adressiert war. Und da ich prinzipiell in Emails keine Grafiken automatisch nachladen lasse, konnte ich den Fernsehsender Arte nicht sofort als Absender ausmachen. Zum Glück hielt mich eine innere Intuition davon ab sofort den Löschknopf zu betätigen, hätte ich doch so diesen wertvollen Programmtipp nicht mitbekommen.
Denn seit Nina auf der Welt ist, hat sich der Fernsehkonsum bei uns derart reduziert, dass der Fernseher zu einem Dekorationsgegenstand mutiert ist. Um so spektakulärer muss also das Ereignis sein, wenn wir selbigen einmal einschalten (Michael Jacksons Tod gehörte da zum Beispiel nicht dazu!). In Sachen Kaminski ist nun genau solch ein Ereignis, welches zumindest mich am kommenden Samstag den 29. August 2009 ab 15:50 Uhr vor den Fernseher zerren wird.
Bei diesem Fernsehfilm handelt es sich um die Verfilmung einer wahren und tragischen Familiengeschichte aus Deutschland. Wobei die Namen der beteiligten sowie die Geschichte eine gewisse künstlerischen Anpassung erfahren haben. Die Familie Kaminski, der Vater Martin arbeitet auf einem Schrottplatz, die Mutter Petra ist Hausfrau lebt mit der gemeinsamen Tochter Lona in einem Einfamilienhaus.
Auf den ersten Blick scheint dies eine ganz normale Familie zu sein. Hat man jedoch die Gelegenheit die Familie ein wenig zu begleiten, stellt man schnell ein gewisses Manko in den intellektuellen Fähigkeiten der Eltern fest. Wenn der Vater Martin seiner Tochter Lona aus «Pippi Langstrumpf» vorliest, hört sich das an als ob ein Leseanfänger vorliest. Daher erfindet Papa Kaminski viel lieber schöne Gutenachtgeschichten, wie etwa diejenige über eine dreiäugige Katze.
Doch Geschichten über Katzen mit drei Augen sowie Erwachsene Menschen die kaum einen Satz flüssig und fehlerfrei ablesen können passen nicht in eine Leistungsgesellschaft wie der unseren. Gemeinhin würde man die Familie Kaminski daher wohl als dumm abstempeln. Ich halte es da eher mit Forrest Gump, welcher sagt: «Dumm ist nur wer dummes tut!»
Da die fünfjährige Lona ein ganz normales, wissbegieriges Mädchen ist fehlen den Eltern sehr oft die richtigen Antworten auf die vielen Fragen der Tochter. Doch mit viel Liebe und Phantasie versuchen diese der Tochter die Welt zu erklären. Dass dies leider nicht ausreicht muss der Hausarzt der Kaminskis, Dr. Wente, bei einer Routineuntersuchung von Lona feststellen. Im Vergleich zu anderen, gleich altrigen Kindern, weist Lona Defizite bezüglich ihrer Lernkenntnisse auf. Er empfiehlt den Eltern eine Familienhilfe beizuziehen um gemeinsam die Defizite abzubauen.
Da die Kaminskis ihre Tochter lieben und wie alle Eltern nur das beste für ihr Kind wollen, akzeptieren diese den Vorschlag und stellen einen Antrag, welcher auch angenommen wird. Daraufhin bekommen die Kaminskis regelmässig Besuch einer Familienhelferin des Jugendamtes. Zu Beginn versucht Gabriele Lohse, so der Name der Familienhelferin, die Eltern in die Förderung der Tochter mit einzubeziehen. So soll zum Beispiel der Vater statt selbsterfundener Gutenachtgeschichten lieber Pipi Langstrumpf vorlesen. Doch nach und nach tendiert die Familienhelferin dazu, die Kaminskis immer mehr zu bevormunden.
So konfrontiert diese die Tocher mit den intellektuellen Schwierigkeiten der Eltern, und führt diese beim Memory-Spielen oder beim Lesen einer Speisekarte regelrecht vor. Immer wieder stellt sie auch deren Erziehungskompetenzen in Frage, und macht ihnen deutlich, dass sie ihrer Tochter keine angemessen Erziehung geben könnten. Schlussendlich initiiert die Familienhelferin den Entzug des Sorgerechtes.
Lona wird in einen Betreuungsverein gebracht, der sie an die Pflegeeltern Julia und Kai Gerber weiter vermittelt. Den Eltern wird jeglicher Kontakt zu ihrem Kind untersagt, Ortstermine finden nur im Beisein von Jugendamt und Gutachtern statt, die darauf achten, dass die Eltern keinen emotionalen Kontakt zur Tochter aufnehmen können. In ihrer Verzweiflung nehmen die Kaminskis Kontakt zu einer Rechtsanwältin, Annett Fink, auf und versuchen, Besuch- und Sorgerecht für ihre Tochter Lona einzuklagen. Doch die Klage wird von zwei Instanzen abschlägig entschieden. Auch beim Gang an das Bundesverfassungsgericht verlieren die Eltern den Prozess und sie versuchen sich damit abzufinden, ihre Tochter endgültig verloren zu haben.
Währenddessen baut Lona eine gegenseitige emotionale Beziehung zu ihren Pflegeeltern auf und scheint diese als «neue Eltern» zu akzeptieren. Diese bemühen sich nicht nur um das Wohl ihrer Pflegetochter sondern sind auch an einem guten Kontakt mit Petra und Martin Kaminski interessiert. Als Lona Geburtstag hat, laden diese die Kaminskis zur Feier ein. Nach dieser Feier beschliessen die Kaminskis, emotional hin und her gerissen, die letzte verbleibende Hoffnung wahrzunehmen und klagen die Bundesrepublik Deutschland am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassbourg ein.
Ob die Kaminskis auch hier unterliegen werde ich an dieser Stelle nicht verraten. Jedoch möchte ich einige Gedanken zu diesem TV-Drama äussern.
Als ich den Film seinerzeit (laut Artes Mail am 15. Juli 2005) gesehen habe, war ich selber noch nicht Vater. Trotzdem ist mir die Geschichte richtiggehend unter die Haut gefahren, sodass ich mit Tränen in den Augen vor dem Fernseher sass. Die Geschichte ist dermassen fesselnd, ohne jedoch auch nur im geringsten Kitschig zu sein, dass man am liebsten in den Fernsehen hineinkriechen möchte und den einzelnen Personen vom Jugendamt und den Gerichten links und rechts eine zimmern möchte. Diese Ungerechtigkeit und Arroganz der Behörden gegenüber dieser Familie schnürt einem regelrecht das Herz zu, so dass man laut losschreien könnte.
Natürlich ist diese Geschichte ein extremes Beispiel von unglücklichen Verkettungen von Umständen, Fachlichem Versagen seitens der Jugendämter und einer gewissen Arroganz und Paragraphen reiterei von sogenannten Rechtsexperten. Doch die Geschichte zeigt auf wie leicht man in der heutigen Zeit Opfer von selbsternannten Experten werden kann welche – mal eben – eine Familie zerstören und nach getaner Arbeit das ganze hinter sich lassen, während man als Eltern Tag für Tag für Woche für Monat durch die Hölle geht.
Für mich sind solche Beispiele die «reale Bedrohung» der heutigen Zeit. Mich kratzt weder die sogenannte Finanzkriese noch die Bedrohung durch irgendwelche – sogenannten – Terroristen. Ich fürchte mich viel eher davor, dass ich oder jemand aus meinem Umfeld plötzlich Opfer solcher – vermeintlicher – Experten werde. Experten die irgendwo irgendetwas studiert haben und sich lange Zeit mit der Thematik – Theoretisch – auseinandergesetzt haben ohne jemals das echte Leben gespürt zu haben. Doch sollte mich dieses Schicksal wirklich einmal ereilen, dann werde ich einen ernst zu nehmenden Gegner darstellen, der sich mit allen erdenklichen, legalen Mitteln zur Wehr setzen wird. Und zwar dermassen massiv, dass sich die Ankläger wünschen werden niemals auch nur etwas von einem Egger gehört zu haben! Soviel zu meiner Kampfansage 😉
Jetzt da ich selber Vater bin und bereits die ersten – vermeinlich wohlwollenden – Ratschläge von Kinder- und Beziehungslosen «Familienexperten» abschmettern durfte, kann ich djesen Film jedem nur wärmstens weiter empfehlen! Wer sich im übrigen um die Geschichte hinter der Geschichte interessiert, der kann beim Europäischen Gerichtshof die Akte über diesen Fall Online einsehen. Die Beschwerde 46544/99 von Fall K. gegen DEUTSCHLAND (26/02/02).
Es sei aus einem echten Fall http://www.die-akte-nina.com angemerkt, daß dies einfacher gesagt als getan ist. Über 30 Richter haben in dem Fall schon versagt. Man glaubt es nicht wie viele Leute, nur um den Schein der Rechtmäßigkeit aufrechtzuhalten bereit sind zu lügen. Da bilden selbst Richter keine Ausnahme. Fall merken, denn es liegen schon drei Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe vor…